Überrascht war Benni schon, als er Lenas Nachricht las: Sie suche dringend eine Wohnung, seit zwei Wochen ohne Erfolg, ob sie nicht bei ihm für ein paar Tage unterkommen könne? Überrascht deshalb, weil sie sich vor ein paar Monaten auf einer Party kennengelernt und nett unterhalten, seither aber kaum etwas miteinander zu tun gehabt hatten. Dafür, dass sie sich zwei-, höchstens dreimal getroffen hatten, war ihre Bereitwilligkeit, mit ihm eine Wohnung zu teilen, unerwartet direkt. Damals hatte sie erwähnt, einen Freund zu haben. Zwangsläufig kam ihm der Gedanke, jener Freund könnte mittlerweile eventuell aus ihrem Leben getreten sein, und hinter ihrer Anfrage, vordergründig aus großer Not heraus, formuliere sie zwischen den Zeilen eine unausgesprochene Möglichkeit. Gerade das Überraschende, Unpassende an ihrem Vorschlag sollte ihm vielleicht zu verstehen geben, dass noch etwas anderes dahintersteckte. In Gedanken wandelte ihre Anfrage sich zu einem Angebot.
Seine Mitbewohnerin Maren war einverstanden. Dem anderen Mitbewohner war es egal, Mark war zurzeit kaum ansprechbar, weil seine Freundin Schluss gemacht hatte, und verließ erst nach Mitternacht, wenn alle schliefen, sein Zimmer. Am ersten Abend schauten sie zu dritt einen Film. Maren ging frühzeitig ins Bett, da sie morgen eine Prüfung hatte. Benni blieb noch bei Lena im Wohnzimmer und half ihr, das Sofa umzuklappen. ,,Bist du eigentlich noch mit deinem Freund zusammen?‘‘ Er versuchte, es so beiläufig wie möglich klingen zu lassen. ,,Ach ja, der Felix, den gibt’s noch.‘‘ Es klang, als spreche sie von einem alten Mann, der es immer noch machte. ,,Ist aber mittlerweile ‘ne offene Beziehung.‘‘
Kurz darauf in seinem Zimmer hörte er, wie sie duschte. Das Bad lag direkt nebenan, und die Wand war dünn. Er wartete, bis ihre patschenden, bloßen Füße ins Wohnzimmer gelaufen waren, dann betrat er das Bad. Es roch nach exotischen Früchten. Im Abfluss stand noch der Schaum, prickelnd platzten kleine Blasen.
Am Morgen, als er ins Wohnzimmer trat, schlief sie noch. Die Decke war halb von ihr gerutscht und entblößte einen schwarzen BH und einen flachen, sich regelmäßig hebenden und senkenden Bauch. Eine Strähne nussbraunen Haars hing in ihr Gesicht und wurde von ihren kindlichen Stupsnasenlöchern zu Mikroerschauerungen gebracht. Sie konnte jeden Moment die Augen aufschlagen, und dann würde sie sehen, wie er sie anstarrte. Trotzdem rührte er sich nicht vom Fleck.
,,He, du bist da!‘‘, rief sie, trippelte wie ein aufgeregtes Kind von einem Fuß auf den anderen, schoss ihm entgegen und schlang die Arme um ihn. ,,Tut mir leid, ich bin verschwitzt, ich komme grad vom Fußball.‘‘, war alles, was ihm einfiel. ,,Na, dann dusch dich erstmal und mach dich ordentlich frisch für mich, und dann spielen wir ‘ne Runde ,Mario-Cart‘.‘‘, und mit einem Klaps auf den Po scheuchte sie ihn zur Dusche.
Beim Spielen legte sie auf einmal die Beine in seinen Schoß. Er tat, als wäre nichts weiter. Wenn sie an Vorsprung gewann, drückten ihre Beine fester auf sein Becken. Ihre Haut leuchtete, strahlte heller, weicher und rosiger als je zuvor, und das Spiel ihres Mundes spiegelte ihre Konzentration wider: Mal hielt sie den Mund leicht geöffnet, wie in Erwartung eines Aufschreis, dann presste sie die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen, bevor sie sie spitzte, mit den Zähnen die Unterlippe knetete und sie dann mit der Zungenspitze befeuchtete. Zwischen den Rennen warf sie sich nach hinten auf den Rücken, und da lag sie an seiner Seite, als wäre sie seine Freundin und hätte ihn auserwählt. Endlich wagte er es, er umfasste ihre Beine, umschloss die Unterschenkel und drückte zu, um das frische, straffe Fleisch zu spüren. Beim zweiten Mal entzog sie ihre Beine, ohne den Blick vom Fernseher zu lassen, und setzte sich auf sie, wie um ihren Besitzanspruch zu markieren. Kurz darauf streckte sie den Rücken durch, was ihre Brüste zur Geltung brachte, stemmte die Handflächen von hinten in die Hüften, als wollte sie ihr Gesäß für einen nahenden Ansturm stabilisieren, neigte den Kopf, wodurch der Shirt-Ausschnitt angehoben wurde, und stöhnte: ,,Puh, mein Rücken ist schon wieder ganz verspannt.‘‘ – ,,Soll ich dich massieren?‘‘ Seine Stimme, ein offenes Buch!
,,Ach nee, lass mal, denk‘, ich mach jetzt ‘nen Spaziergang.‘‘ Sekunden später saß er allein in vollkommener Stille.
An diesem Abend zog er sich frühzeitig in sein Zimmer zurück, um niemandem zu begegnen. Wie er später feststellte, führten Maren und Lena in der Küche eine Unterhaltung ,,unter Frauen‘‘, denn als er um elf aufs Klo ging, schnappte er Lenas Stimme auf: ,,Warum müssen Männer immer alles so schnell falsch verstehen?‘‘
Hat dir der text gefallen?
Teilen mit:
- Klicken zum Ausdrucken (Wird in neuem Fenster geöffnet)
- Klick, um über Twitter zu teilen (Wird in neuem Fenster geöffnet)
- Klick, um auf Tumblr zu teilen (Wird in neuem Fenster geöffnet)
- Klicken, um auf WhatsApp zu teilen (Wird in neuem Fenster geöffnet)
- Klick, um auf Facebook zu teilen (Wird in neuem Fenster geöffnet)