
Normalerweise werden hier ja die großen Fragen ausgehandelt, unter ,,Einsamkeit‘‘, ,,Liebe‘‘ oder skandalösen Bekenntnissen mache ich es eigentlich nicht. Aber diesmal hatte ich Lust auf etwas sehr Banales: Katzen.
Viele große Schriftsteller waren Katzenliebhaber, ich reihe mich also in eine lange und ehrwürdige Tradition ein. Es wurde auch schon viel über Zimmertiger geschrieben, es gibt Katzenkrimis und Sachbücher über die Psychologie der Katze. Was also bleibt noch zu sagen?
Letztens ist mir aufgefallen, dass eine Katze nie in ihre Umgebung eingreift. Wenn sie sich aufs Sofa legen will, dann schiebt sie die Fernbedienung nicht beiseite, sie streicht die lästige Falte im Bezug nicht glatt, sie legt sich auch kein Kissen zurecht – stattdessen quetscht sie sich zwischen Fernbedienung und Sofarand.
Eine Katze würde nie auf die Idee kommen, Wälder zu roden, um Staudämme zu bauen, um Strom für Mäusefarmen zu erzeugen, um im Supermarkt preiswerte Mäuschenschenkel einzukaufen. Ein Grund dafür mag sein, dass Katzen nur über einen Bruchteil unseres Frontalcortex‘ verfügen und in der Folge kognitiv eingeschränkt sind – zu ihrem Vorteil, so können sie zufrieden bleiben.
Ehrgeiz ist für Katzen – selbst wenn sie sprechen könnten – ein Fremdwort. Die postmoderne Katze lebt haargenau so wie ihre altägyptischen Vorfahren. Sie sieht nicht ein, weshalb sie mittels Arbeit ihren Lebensstandard heben sollte. Das überlässt sie den Zweibeinern (in diesem Punkt können wir, so meine ich, den Katzen eine gewisse intellektuelle Überlegenheit nicht aberkennen). Ein Herrchen oder Frauchen, das einen täglichen Napf voll Fleischmüll und ab und an eine Streicheleinheit bereithält, reicht ihr völlig. Ihr absolutes Desinteresse an Charakterarbeit, Selbstverbesserung, Glücksmaximierung hat etwas Radikales. Inmitten der alltagstrubeligen Menge sich einfach zusammenrollen und pennen – wie kann man nur? Einem Menschen würden wir das niemals gestatten, doch scheinbar genießen Katzen bei uns einen Sonderstatus, immer noch. Und wir glauben, aufgeklärter als die alten Ägypter zu sein.
Die ungeheure Menge an Schlaf, die eine Katze täglich anhäuft, ist eine stille Provokation in unserer Leistungsgesellschaft. Wir träumen nur davon, sie leben unseren Traum. Wir reden nur von Entspannung, Gelassenheit, Entschleunigung, sie handeln. Sollte sich irgendwann eine ernstzunehmende Protestbewegung gegen das selbstauferlegte neoliberale Regime formieren, ihr Symbol wäre eine dösende Katze, die dem nächsten Motivationsseminar die Mittelkralle zeigt.
Nicht zufällig besitzen Katzen gerade in Japan, der Burn-Out-Gesellschaft Nummer Eins, besondere Faszination. Überall in Tokyo schießen Katzen-Cafés aus dem Boden, in denen Millionen überarbeiteter Geschäftsfrauen und -männer gegen ein erschwingliches Entgelt für ein paar Minuten eine schnurrende Katze auf den Schoß gesetzt bekommen.
Katzen sind Lehrmeister der Geduld. Statt an der Haustür die Klingel zu benutzen, hocken sie stundenlang davor, bis sie zufällig entdeckt werden. Die Ursache ist nur zum Teil auf ihren winzigen Frontalcortex zurückzuführen. Vielmehr trainieren sie für den Ernstfall, wenn es darum geht, so lange vor dem Loch zu warten, bis das Glück ihnen von selbst in die Hände, pardon, blutigen Krallen läuft. Die Katzen haben begriffen: Das Glück kommt, wenn der Augenblick reif ist.
Zu guter Letzt sind die meisten Kater kastriert und haben ein Problem weniger.
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