Mein Ziel ist es, am Bahnsteig beim Warten vollkommen stillstehen zu können. Wichtig ist, die Hände dabei nicht in die Taschen zu stecken, sondern hängenzulassen. Nicht einmal den Kopf darf man bewegen, nur die Augäpfel drehen ist erlaubt, soweit es die körperliche Mechanik zulässt.
In der Öffentlichkeit still dazustehen und die Hände tatenlos hängenzulassen, ist schwierig. Sofort fängt in einem das Gefühl zu bohren an, sich irgendeine Beschäftigung geben zu müssen, wenigstens von einem Fuß auf den anderen zu treten oder mit den Armen zu schlenkern. Was sollen die Leute denken, wenn einer mitten unter ihnen so starr dasteht? Bestimmt denken sie, mit einem stimme was nicht. Wer so still dasteht, dem muss gerade was Verstörendes zugestoßen sein.
Die warme Innenluft durch die aufschwingenden Zugtüren die ausgekühlte Haut irritieren lassen. Die Reihe aussteigender Menschen sich vor einem teilen lassen, ohne von ihrer Rührigkeit angesteckt zu werden. Das Parfum der vorüberrauschenden Frau die Hirndecke reizen, ohne sich den Kopf verdrehen zu lassen. Der Wind stößt in die Jacke und erzeugt in der Magengegend eine Beule, in Kontrast zu der die Oberpartie vorzuragen scheint wie ausgestopft mit Brüsten. Ja und? Nicht glattstreichen! Treppensteigen. Türe öffnen. Schal und Jacke ablegen. Jeder Bewegung die Zeit zugestehen, die sie braucht.
Wir haben Angst, wenn wir nicht in Bewegung bleiben, herauszufallen. Irgendwie müssen wir mithalten, auch wenn wir nicht wissen, bei was genau und wozu.
Wir setzen die sichtbaren Lebenszeichen mit Lebendigkeit gleich. Je exaltierter und (hyper-)aktiver einer ist, für desto lebendiger und lebensfroher halten wir ihn. Doch dass Gefühle stärker sind, je heftiger sie sich im Äußeren niederschlagen, ist ein Irrtum. Manche Gefühle sind Schätze, die man besser für sich behält.